„Illegale jüdische Immigranten“

Die Internierungscamps auf Zypern 1946–49

Haifa 28. Juli 1947: Passagiere der „Shivat Zion“ werden nach Zypern deportiert. Foto: Hans Pinn, Government Press Office/The National Photo Collection (Jerusalem) D8-03.

Nach der Niederschlagung des Nationalsozialismus sahen die Überlebenden der Shoa für sich keine Zukunft mehr in Europa. Viele wollten nach Palästina, doch der jüdische Staat existierte noch nicht und die britische Mandatsmacht verhinderte die Immigration. Dennoch machten sich Zehntausende illegal auf den beschwerlichen Weg übers Mittelmeer: Nachdem sie nur knapp der Vernichtung entkommen waren, jahrelang in den DP-Camps in Deutschland, Österreich und Italien ausharren mussten, die Alpen überwunden und eine nicht ungefährliche Seereise in überfüllten Booten hinter sich hatten.

Bei ihrer Ankunft im Hafen von Haifa wurden sie als „illegale jüdische Immigranten“ sofort auf britische Schiffe verladen und nach Zypern deportiert, das zu dieser Zeit noch eine britische Kronkolonie war. In zwölf mit Stacheldraht umzäunten Lagern, darunter ein separates Camp für Kinder und Jugendliche, mussten über 52.000 jüdische Männer, Frauen, Mädchen und Jungen Monate und Jahre verbringen, bis sie sich endlich in Erez Israel niederlassen durften. Fünf dieser Camps befanden sich in der Nähe von Famagusta. Sie wurden als Sommerlager bezeichnet und bestanden aus Zeltstädten, in den sieben Winterlagern, in der Region Larnaca dienten Wellblechbaracken (Nissen Huts) als Unterkünfte. Sowohl in den Zelten als auch in den Blechhütten, die wenig Schutz vor der Hitze im Sommer und der Kälte im Winter boten, lebten die Menschen zusammengepfercht auf engstem Raum.

Nissenhütte in einem zypriotischen Internierungslager. Foto: Government Press Office/The National Photo Collection (Jerusalem) D196-027.

Im Herbst 1947 besuchte Golda Myerson (Meir) die „Internment Camps“. Ihr besonderes Interesse galt den rund 2.000 Jungen und Mädchen, die in einem sogenannten Children’s Village untergebracht waren. „Ich war nach Zypern gefahren, um mir ein Bild davon zu machen, was man für die Hunderte von Kindern tun konnte, die dort gefangen gehalten wurden“, erinnert sich die spätere israelische Ministerpräsidentin in ihren Memoiren. „Die Lager selbst waren noch deprimierender, als ich es erwartet hatte. Sie sahen wie Gefangenenlager aus, ein hässliches Durcheinander von Hütten und Zelten mit einem Wachturm an jedem Ende – mitten im Sand, ohne Grün oder Pflanzen in der Nähe.“

Nach Verhandlungen mit den britischen Behörden erreichte Golda Meir, dass die Kinder Zypern vorzeitig verlassen und nach Palästina einreisen durften. Im November 1947 verließ das erste Schiff mit Jungen und Mädchen das „Kfar Noar“ wie das Kinderlager auf Hebräisch hieß; weitere folgten, sodass im Dezember 1947 das Open-Air Gefängnis aufgelöst wurde. Kinder und Jugendliche, die keine Straftaten verübt hatten, waren monatelang eingesperrt, nur für den Versuch, in Erez Israel ein Leben ohne Angst vor Verfolgung zu führen. Nun wurden sie endlich in die Freiheit entlassen.

Die Freiluftgefängnisse auf Zypern bestanden von August 1946 bis Februar 1949. Als Letzter verließ der 32-jährige Pinchas Reichman das Camp. Er hatte sieben Jahre Konzentrationslager überlebt und war danach knapp zwei Jahre interniert.

Ein wissenschaftlicher Überblicksaufsatz in deutscher Sprache zum Thema Internierungscamps auf Zypern ist in der Juliausgabe 2023 der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft erschienen. Im Mittelpunkt der Veröffentlichung steht das ehemalige „Children’s Village“ in der Region Larnaca.

Jim G. Tobias, Nach der Shoa: Leben hinter Stacheldraht. Die Internierungslager auf der Insel Zypern 1946–1949, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 71 (2023) 7/8, Metropol Verlag, Berlin,
14,00 €, S. 646–663.