Antisemitismus in Franken während der Weimarer Republik

9783938286357
267 Seiten, 20 Abb. s/w
22 x 14 cm, Pb., 2009
ISBN 978-3-938286-35-7
ANTOGO Verlag

„Völkische Zeitungen und Versammlungsredner rühmen Nürnberg als Hochburg ihrer Bewegung. Sie haben leider recht. Schon das Straßenbild zeigt dies. Die bekannte Hitler-Uniform belebt die Verkehrswege. An allen Straßenecken wird die völkische Presse, häufig von Uniformierten, feilgeboten. Öffentliche Ankündigungen, nicht nur politischer, sondern auch gesellschaftlicher Veranstaltungen treiben mit dem Zusatz ‚Juden haben keinen Zutritt‘ dem jüdischen Deutschen, aber auch jedem anderen gerecht Denkenden die Schamröte ins Gesicht.
In Versammlungen aufgehetzte Jugend belästigt mit Wort und Tat Personen, die sie mit Recht oder Unrecht für Juden hält. Eines der betrüblichsten Zeichen ist es, daß selbst einige jüngere evangelische Geistliche sich den Predigern des Judenhasses anschließen. Große Teile der früher gerecht und freiheitlich denkenden Lehrerschaft folgen darin. Mittelschulen und Volksschulen sind von der Krankheit ergriffen. Keine Ausnahme ist es, wenn Mitschüler die Gemeinschaft mit jüdischen Kameraden, unter Billigung oder doch Duldung der Lehrer, ablehnen. Sie folgen darin dem Beispiel derer reiferen Alters; überall sucht man jüdische Deutsche von der Volksgemeinschaft auszuschließen. Voran gehen Wehrverbände… Aber auch andere Vereinigungen stehen nicht zurück. Schloss gestern eine Schützengesellschaft die Juden aus, so wird ihnen heute in einem Hausbesitzerverein das Bleiben unmöglich gemacht; Turngemeinden sind so wenig von antisemitischen Quertreibereien verschont wie selbst die Zwangsinnungen der Handwerker, denen selbstständige jüdische Handarbeiter sich nicht entziehen könnten, selbst wenn sie es wollten.“

Diese Schilderung aus einer jüdischen Zeitung von 1924 dokumentiert anschaulich, dass Nürnberg sowie Teile Mittelfrankens zu dieser Zeit ein, wenn nicht sogar das Zentrum des deutschen Antisemitismus bildeten. Die Polizei sprach von einer „Pogromstimmung“ in Nürnberg.

Vom grassierenden Antisemitismus waren so gut wie alle gesellschaftlichen und politischen Gruppen durchdrungen; so hetzten wiederholt auf gemeinsamen Veranstaltungen in Nürnberg NSDAP- und KPD-Redner gegen die „jüdische Verschwörung“ und protestantische Pfarrer weihten bereitwillig SA-Fahnen in der Lorenzkirche. Und aus Solidarität mit Hitler säumten am Tag nach dem niedergeschlagenen Putschversuch in München viele Tausende die Straßen Nürnbergs.

Seit 1923 hetzte Julius Streicher mit seinem Schmierblatt "Der Stürmer" gegen Juden; die Auflage schnellte binnen weniger Jahre von 25.000 auf 500.000 Exemplare hoch.
Seit 1923 hetzte Julius Streicher mit seinem Schmierblatt „Der Stürmer“ gegen Juden; die Auflage schnellte binnen weniger Jahre von 25.000 auf 500.000 Exemplare hoch.

Die Juden wurden pauschal für alles negativ Anmutende verantwortlich gemacht bzw. für das, was der Bevölkerung als verdächtig modern und liberal vorkam. Ob „Schandfrieden“ von Versailles oder Bubikopf, ob Hyperinflation oder Shimmy-Tanz, ob Weltwirtschaftskrise oder Homosexualität, hinter allem wurde „Alljuda“ und dessen Plan der Weltherrschaft vermutet.
Über den Antisemitismus in der Zeit nach Hitlers „Machtergreifung“ ist hinreichend geforscht worden. Der Antisemitismus in früheren Jahren, etwa in der Weimarer Republik, ist dagegen ein weitgehend weißer Fleck geblieben. Die Studie soll diese Lücke füllen.

Das Buch von Peter Zinke „An allem ist Alljuda schuld“ – Antisemitismus während der Weimarer Republik in Franken ist 2009 erschienen.