Traudl Davidovitsch-Fuchs

Traudl Fuchs 2006 in Wien, Foto: Peter Roggenthin
Traudl Fuchs 2006 in Wien (Foto: Peter Roggenthin)

ist ein bisschen darüber verbittert, dass sich die Öffentlichkeit stets nur für die Wiener Hakoah interessiert, nie für die anderen Ortsgruppen. Dort seien schließlich auch imposante sportliche Leistungen erzielt worden. Bereitwillig überlässt sie uns deshalb Fotos, auf denen Hakoah-Aktivisten vor allem in ihrer ostschlesischen Heimatstadt Bielitz zu sehen sind.

1918 wurde das österreichische Bielitz zum polnischen Bielsko, um dann nach dem deutschen Einmarsch 1939 wieder umbenannt zu werden. Am rechten Ufer des Flusses Bialka und bereits in Galizien lag die Schwesterstadt Biala; später wurden die Städte vereinigt. Bielsko-Biala wird gelegentlich als Klein-Wien bezeichnet, weil viele Gebäude im Stil der österreichischen Hauptstadt gebaut wurden. Traudl wurde 1923 als Gertraud Fuchs in Bielitz geboren, wo früher ein Großteil der Einwohner deutschsprachig war. Nach Lodz war der Ort das zweitgrößte Zentrum der polnischen Textilindustrie. Die dortigen Tuchfabriken hatten nach der Erinnerung von Traudl Fuchs vorwiegend jüdische Besitzer. In Bielitz und Biala wohnten damals ungefähr 50.000 Menschen, von denen 10.000 Juden waren. Traudls Vater allerdings hatte nichts mit Tuchproduktion zu tun: Er war Tierarzt und hatte zudem einen Krämerladen vererbt bekommen. Die Familie gehörte zur angesehenen Mittelschicht, zumal Traudls Vater ein guter Kammermusiker war. Und sportlich war die ganze Familie:

Traudl Davidovitsch-Fuchs
Traudl Dawidowitsch kurz vor dem Start eines Kraul-Wettbewerbs in Bielitz (Foto/Repro:Traudl Fuchs/nurinst-archiv)

„Bei uns haben alle Sport getrieben, meine Eltern und Großeltern sind sogar am Wochenende im Gebirge wandern gegangen. Wir waren auch Eislaufen, doch als wir Ski bekommen haben, sind wir oft in den nahen Bergen Ski gefahren. Wir hatten erst kein Hallenbad, dann wurde jedoch eines auf einem Gymnasium nur für Jungen eröffnet, das ich jedoch zweimal in der Woche nach 18 Uhr benutzen durfte, weil mich der Turnprofessor sehr verehrte. Richtig trainieren konnte ich somit nur im Sommer. Rennen schwammen wir bei Wassertemperaturen von 14°C bis 16°C; in den Gebirgsorten waren die Bäder ja nicht wärmer. In der Hakoah waren damals sehr viele Juden organisiert, ich kann keine Anzahl sagen, aber fast jeder schwamm dort. Bei meiner ersten gewonnenen polnischen Damen-Meisterschaft 19 35 über die 100 Meter Kraul-Disziplin war ich gerade zwölf Jahre alt. 1948 und 1949 gewann ich auch die österreichischen Landesmeisterschaften über 100 und 400 Meter Kraul. Ich war 1936 im polnischen Olympiakader und später im österreichischen vertreten. Vor dem Krieg war ich als Schwimmerin bis Litauen hinauf ziemlich populär. Meine beste Zeit über 100 Meter war 1.14 Minuten, womit ich auch eine Zeit lang den Rekord in Polen hielt. Ich lernte durch den Sport auch den berühmten Film-Tarzan Johnny Weißmüller kennen, als er unser Schwimmbad, eines der schönsten in Polen, einweihte. Er war auch Schwimmer. Er konnte kein Deutsch, wir sprachen aber alle Englisch. Ich bekam sogar einen Kuss von ihm. Ich war damals die Meisterin und hatte die meisten Titel, obwohl ich am jüngsten war.“

Die antisemitische Grundstimmung verschärfte sich Mitte der Dreißiger Jahre und 1937 kam es zu einem Aufsehen erregenden Pogrom, bei dem so gut wie kein jüdisches Geschäft verschont blieb. Nichtjüdische Läden hängten aus Angst Transparente mit der Aufschrift „Christliches Geschäft“ über die Schaufenster. Eine polnische Familie half Traudl bei Kriegsbeginn und beschaffte ihr falsche Papiere. Über Rumänien floh sie nach Budapest, dort wohnte ein Cousin ihres Vaters. Als sie sich bei der Fremdenpolizei meldete, gab sie an, bei dieser bestimmten Familie wohnen zu können. Da wandte der Beamte ein, dass dies doch eine jüdische Familie sei. Traudl tat aber so, als ob sie nicht wüsste, welcher Konfession diese angehörte. Zunächst wurde sie von der Tante ihres Cousins zum Nähen geschickt. Dies blieb ihr als das schrecklichste Jahr während der ganzen Kriegszeit in Erinnerung. Danach kam sie in ein Kloster, konnte dann aber rasch in Budapest zur Schule gehen. Hierbei schaffte sie sogar das Abitur, die ungarische Matura. Traudls Papiere waren offenbar sehr gute Fälschungen und trugen maßgeblich zum Überleben bei.

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Bei einem Wettkampf im polnischen Bielitz in den 1930er Jahren (Foto/Repro:Traudl Fuchs/nurinst-archiv)

„1945 begann ich, diesmal bei Hakoah Wien, auch wieder mit dem Schwimmen. Ich war morgens immer um sechs Uhr trainieren, bevor das Bad öffnete, danach ging ich arbeiten und anschließend musste ich mich um den Haushalt kümmern. 1951 bekam ich ein Baby, weshalb ich mit dem Schwimmen aufhörte. Mein Kind war behindert und benötigte entsprechend viel Zeit und Zuwendung. Ich machte mich dann selbstständig und eröffnete ein Juweliergeschäft, konnte den Sport aber doch nicht lassen. So lernte ich Tennisspielen. Am liebsten bin ich später aber Ski gefahren. Jeden Winter habe ich zwei Wochen Urlaub gemacht und bin Ski gefahren. Das ging bis vor zehn Jahren, seitdem habe ich Probleme mit der Hüfte.“

1950 fuhr sie das erste Mal nach Israel zur 3. Makkabiade, an der sie auch aktiv teilnahm und in ihrer Paradedisziplin Zweite wurde. Da ihr Mann dort Verwandte hatte, besuchte sie sehr oft und regelmäßig den jüdischen Staat. Das letzte Mal war Traudl Fuchs im vorigen Jahr in Israel, aber jetzt will sie nicht mehr hin, weil es kaum mehr Angehörige ihrer Generation gebe und die Jungen zu sehr beschäftigt seien, um Zeit mit den Alten zu verbringen.

Interview und Text: Peter Zinke