Norbert Lopper

Norbert Lopper in seinem Wiener Büro 2006 (Foto: Peter Roggenthin)
Norbert Lopper in seinem Wiener Büro 2006, in dem auch das Interview geführt wurde (Foto: Peter Roggenthin)

wurde 1919 im 20. Wiener Bezirk geboren und wuchs auch in diesem Arbeiterbezirk auf. Seine Mutter war Kürschnerin und sein Vater Kriegsinvalide, der sich mit Hilfsjobs über Wasser hielt. Seine Eltern waren gemäßigt religiös, sie gingen nur an den hohen Feiertagen in die Synagoge. In Norberts Schule waren nur wenige Juden und er spürte den Wiener Antisemitismus deutlich. Oft fielen Schimpfworte oder beleidigende Sprüche und vor allem die Ostjuden, die nur holpriges Österreichisch sprachen, wurden verspottet. Beim Fußball jedoch, so Norbert Loppers Erinnerung, war vom Antisemitismus zunächst nichts zu spüren.

„Meine Eltern und die Eltern der Kinder in meiner Umgebung waren den ganzen Tag in der Arbeit und so waren wir alle auf uns allein gestellt, sogenannte Schlüsselkinder. Da fingen wir mit dem Fußballspielen an, das war unser einziges Vergnügen. 1936 kam der Jugendleiter der Hakoah, Julius Jäger, zu uns und holte mich in die Jugendmannschaft der Hakoah. Ich war ein ziemlich guter Spieler und als ich mit 18 Jahren das Alterslimit überschritten hatte, spielte ich in der zweiten Herren-Mannschaft als rechter Aufbauläufer. Dort war ich nur bis 1938, weil ich dann flüchten musste. Ich schaute sehr gerne Spiele der großen Mannschaften wie Austria an und war als Zuschauer mit Austria in Budapest. Dieses Spiel gegen Ujpest war sehr gehässig, wurde sogar unterbrochen, weil sich wegen antisemitischer Beschimpfungen der Ungarn eine Schlägerei entwickelt hatte. Austria hatte zwar jüdische Funktionäre, es spielten aber keine Juden in der Mannschaft selbst. 1937 gab es bei einem Spiel der Hakoah, an dem ich teilnahm, antisemitische Ausschreitungen unter den Zuschauern. Wir als Spieler bekamen genau mit, was da los war. Die antisemitischen Zuschauer riefen zum Beispiel ‚Saujud‘ oder Ähnliches. Unter den Spielern aber gab es keine Auseinandersetzungen.“

Norbert Lopper floh im März 1938 über Aachen nach Belgien, wo er weiter Fußball spielte und damit seinen Lebensunterhalt verdiente. Er spielte zeitweilig sogar bei zwei Clubs. Am Samstag bei dem Arbeiterclub Etoile und am Sonntag bei der Makkabi Brüssel. Pro Spiel verdiente er 10 Franken, ein Arbeiter dagegen bekam ungefähr 35 Franken in der Woche. Das war nicht sehr viel, reichte dem Emigranten aber zum Leben. Als der Präsident von Makkabi sein doppeltes Spiel bemerkte, bezahlte er Norbert heimlich 20 Franc, damit er nur noch für seinen Verein spielte. Anschließend, im Mai 1940, flüchtete Norbert mit seiner jüdischen Brüsseler Verlobten und deren Eltern nach Toulouse in Frankreich, da sich die Wehrmacht auf Brüssel zu bewegte. Da seine künftigen Schwiegereltern viel Besitz in Brüssel zurückgelassen hatten und dorthin wieder zurückwollten, ließ sich Norbert Lopper trotz vieler Bedenken überreden, noch einmal dorthin zurückzukehren, anstatt über die Pyrenäen nach Spanien zu flüchten. In Brüssel heiratete er. Kurze Zeit später wurden er und seine Frau festgenommen und nach Auschwitz deportiert.

Die Fußballmannschaft von Hakoah Wien 1946 (N. Lopper, stehend, 2. v. r.), Foto/Repro: Lopper/nurinst-archiv
Die Fußballmannschaft von Hakoah Wien 1946, N. Lopper, stehend, 2. v. r. (Foto/Repro: Lopper/nurinst-archiv)

„Ich habe Auschwitz überlebt. Ich wog nach der Befreiung ungefähr 40 Kilogramm und war Invalide, wollte aber unbedingt wieder Fußball spielen. Deshalb schickte mich die Brüsseler Mannschaft zur Erholung. Ich versuchte dann ein paar Wochen zu trainieren, aber ich war zu geschwächt. Ich war in Auschwitz auch gefoltert worden. Hitler hat sozusagen meine aktive Sportkarriere zerstört. In Wien wollte die Hakoah-Mannschaft einige Zeit später unbedingt, dass ich an einem Spiel teilnahm, obwohl ich nicht trainiert und nur zu Besuch dort war. Ich gab nach und spielte mit, trotz meiner Probleme mit dem Rückgrat. Obwohl meine Mannschaft dieses Spiel gewann, musste ich den aktiven Sport aufgeben. Zurück in Brüssel, organisierte ich Spiele zwischen Hakoah Wien und Brüssel oder Antwerpen. Hakoah hat überlegen gewonnen und in der Folge sind etliche Spieler von Antwerpen abgeworben worden. Von 1956 bis 1983 wir ich dann erfolgreicher Manager bei Austria. Wir gewannen 19 Meister- und Pokaltitel. Der größte Triumph meiner Managerlaufbahn war das Europacupfinale 1978. Zeitweise waren wir auch die beste Mannschaft in Österreich und hatten keinen richtigen Gegner, außer Rapid. Oft gab es antisemitische Äußerungen gegen das Management von Austria, vor allem bei Spielen gegen Rapid. Da es überall bekannt war, dass in der Austria jüdische Funktionäre waren, wurden wir oft ‚Judenclub‘ genannt, obwohl in der Mannschaft kein einziger Jude war.“

Interview und Text: Peter Zinke