Yoram Fried

Yoram Fried 2007 in seinem Garten in Zahala (Foto: Peter Roggenthin)
Yoram Fried 2007 in seinem Garten in Zahala (Foto: Peter Roggenthin)

Die Siedlung Zahala gehört heute zu Tel Aviv und gilt als eine der teuersten Wohngegenden Israels. Der hochgewachsene Yoram Fried zeigt auch mit über 90 Jahren noch eine tadellos gerade militärische Haltung. Nur mit dem Hören hat er Probleme.

Yoram kam als Felix Fried 1914 im 3. Wiener Bezirk zur Welt. Seine in Prag geborene Mutter war von Haus aus liberal, sein Vater entstammte einer streng orthodoxen Familie aus dem Burgenland. Er fiel jedoch den „verderblichen“ Einflüssen Wiens zum Opfer, entsagte den religiösen jüdischen Vorschriften und legte sogar seinen biblischen Namen Jakob ab. Stattdessen nahm er den schicken frankophonen Namen Jacques an. Yorams Vater führte einen kleinen Stahlwarenladen unweit des Franz-Josefs-Kai am Donaukanal. Der Sohn wuchs somit in einem gutbürgerlichen Haushalt auf, zu dem auch eine Köchin und Gouvernante gehörten. Denn seine Mutter verbrachte viel Zeit mit gesellschaftlichen Verpflichtungen beim Bridge-Spiel oder in Opern- und Theaterhäusern.

„Nachdem mein Vater bei einem Autounfall tödlich verunglückt war und meine Mutter neu geheiratet hatte, wurde ich 1925 in das wunderschöne Städtchen Baden bei Wien in die Viergenerationenfamilie eines pensionierten Hofrates abgeschoben. Von meinem Zimmer im 2. Stock konnte ich direkt auf den Fußballplatz des Badener Athletik-Sportclubs blicken. Ich war begeistert, denn ich hatte zuvor ja kaum ein Familienleben erfahren. Ich wurde bald eine unverzichtbare Stütze der Handballmannschaft der dortigen Schule und blieb bis kurz vor der Matura. Dann zog ich in die Wiener Neustadt und absolvierte dort das Matura-Jahr. Ich war der einzige Jude an der Schule und die Primaner kamen, um mich, dieses Phänomen, zu bestaunen und waren ganz enttäuscht, dass ich keine Hörner hatte. Ab der 7. Klasse waren meine Mitschüler fast alle erklärte Nazis und so wurde ich ignoriert oder mit hämischen Bemerkungen bedacht. Dann kam es aber zum ersten Handballspiel, bei dem ich als letzter in ein Team gewählt wurde. Ich trumpfte auch in diesem Schul-Team derartig auf, dass ich bald Kapitän der Schulmannschaft wurde. Nun war ich akzeptiert, trieb mich mit Freunden in den Bars rum und ließ nur ungern eine Pokerrunde aus. Für dieses aufwendige Leben musste ich allerdings die geerbte Klassikerbibliothek in Schweinsleder verhökern. Wegen Hitlers ‚Machtergreifung‘ trat ich der Hakoah Wien bei, da ich mich gegen den Nationalsozialismus wappnen und organisieren wollte. Dort spielte ich ein halbes Jahr lang Hockey und natürlich Handball. Und mit der Landhockeymannschaft der Hakoah gewann ich den österreichischen Pokal. Paradedisziplinen dieses jüdischen Sportvereins waren daneben Fußball, Schwimmen und Wasserball. Der Zusammenhalt in diesem Verein war einzigartig.“

Nach dem Erhalt der Matura beschloss Yoram dann Ende 1933 etwas schweren Herzens, doch nach Palästina auszuwandern. Mit Zionismus hatte dies aber wenig zu tun; vielmehr hatte ihn seine Mutter dazu aufgefordert, da sie nach dem Tod seines Vaters zu wenig Geld hatte bzw. aufwenden wollte, um den Unterhalt Yorams zu bezahlen. Und auch seine Abenteuerlust war geweckt. Auf der Überfahrt von Triest aus lernte er den Vorsitzenden der Fußballsektion von Hapoel Haifa kennen. Dieser schlug ihm vor, es doch sportlich dort einmal zu probieren. Der Sportfunktionär vermittelte Yoram auch ein bescheidenes Zimmer in Haifa im Haus seines Bruders. Bereits wenige Tage später wurde er bei einem Feldhandballspiel gegen den großen Favoriten Hapoel Jerusalem aufgestellt und zur Überraschung aller gewann sein Team mit 11:10 Toren. Yoram hatte die meisten Treffer geworfen. Arbeit fand er als Sekretär in der Tel Aviver Seidenfabrik Delfiner. Dort wurden die Korrespondenz und die Bücher traditionell auf Französisch geführt und da er diese Sprache beherrschte, war er der geeignete Mann. Deshalb trat er auch dem Makkabi Tel Aviv bei. In der Seidenfabrik verdiente Yoram jedoch so wenig, dass er gezwungen war, sich eine lukrativere Arbeit zu suchen. Da kam das Angebot gerade recht, als Organisator der Makkabiade-Eröffnung 1935 im Bezirk Galiläa zu wirken. Ihm wurde ein kleines Zimmer mit Petroleumlampe in Zefat zugewiesen.

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Yoram Fried (ganz links) bei einem Feldhockeyspiel in Israel Anfang der 1950er Jahre (Foto/Repro: Fried/nurinst-archiv)

„Vor der zweiten Makkabiade 1935 hatte ich kaum Zeit zu trainieren. Ich musste ja das Galiläa-Kontingent für die Massenfreiübungen vorbereiten, denn alle Regionen Palästinas hatten eine gewisse Anzahl Sportler für die Feierlichkeiten zu stellen. Trotzdem wurde ich in die Handball-Palästina-Auswahl nominiert. Die blauweiße Fahne mit dem Davidstern zu sehen und die Hatikwa zu hören, war einfach berauschend. Wir unterlagen nur Makkabi Deutschland und wurden Zweiter. Anschließend zog ich wieder nach Haifa und spielte beim dortigen Makkabi Handball und Hockey. Dort waren mittlerweile auch viele alte Bekannte aus der Hakoah Wien gelandet. Etwas militärische Ausbildung hatte ich mittlerweile bei der Hagana absolviert und auch deshalb meldete ich mich nach Ausbruch des 2. Weltkrieges als Freiwilliger bei der britischen Armee. Hauptgrund war natürlich, gegen Hitler zu kämpfen. Als ausgebildeter Militär nahm ich selbstverständlich am Unabhängigkeitskrieg teil und wurde dann Offizier und Ausbilder der israelischen Armee in Sarafand al Kharab in der Nähe von Ramla. Bis zu meiner Pension machte ich eine ansehnliche Karriere beim israelischen Militär. Die israelische Armee beschloss etwa 1950, in der Nähe von Militärstützpunkten Siedlungen für Offiziere zu bauen. So kam ich 1952 mit günstigen Darlehen an dieses Haus in Zahala am Rande Tel Avivs.
Sportlich nahm ich 1950 an der 3. Makkabiade, diesmal als Hockeyspieler, teil und wurde später mit 45 Jahren Spielertrainer bei der Handballmannschaft Hapoel Petah-Tikwa, mit der ich die israelische Vizemeisterschaft gewann. Und ich wurde der erste israelische Handballschiedsrichter auf internationalem Parkett.“

Interview und Text: Peter Zinke